Reifezeit – Zwischen Aufbruch und Albtraum

28. Juni – 12. September 2020

Ausstellung
In ebenso spielerischer wie irritierender Weise erschaffen und kommentieren die acht KünstlerInnen und Künstler dieser Ausstellung eigene Innenansichten von Aufbruch, Infragestellung und Anteilname.

Werke
Die Bandbreite an Werken aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Video, Performance und Fotografie vermittelt überraschende und zum Teil widersprüchliche Einblicke in Seelenzustände und Formen von Daseinsbewältigung junger Menschen. Sie handeln von Krisen, Narzissmus, Auseinandersetzung mit Körperlichkeit, Unsicherheit, Rebellion und Fatalismus in einer immer unsicherer werdenden Gegenwart.

Thema
Ich bleibe so lange jung, jugendlich und lebendig wie möglich! Mein Leben endet nicht, solange ich kreativ bleibe! Zwischen diesem häufig kaum zu realisierenden, hohen Selbstanspruch und deren nicht selten an den Verhältnissen scheiternder Einlösbarkeit können gerade junge Menschen existentiell verzweifeln – oder im Fall von künstlerischen Produktionen diesen Zustand in etwas Zukünftiges, Kritisches, Abweichendes zu verwandeln. Während sich in Deutschland und weiten Teilen Europas hunderttausende Heranwachsende bei Fridays for Future zunehmend politisieren und damit eine für viele Erwachsene überraschende Reife demonstrieren, lassen sich spätestens seit Corona nicht nur bei Jugendlichen Tendenzen extremer Verunsicherung beobachten. Die Bandbreite emotionaler Befindlichkeiten gerade der “jungen Generation” ist durch permanente Selbstbeobachtung auf Snapchat, Instagram oder Youtube – geprägt.

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In ebenso spielerischer wie irritierender Weise erschaffen und kommentieren die acht KünstlerInnen und Künstler dieser Ausstellung eigene Innenansichten von Aufbruch, Infragestellung und Anteilname. Dabei testen sie im weitesten Sinne unsere Vorstellungen von Adoleszenz. KünstlerInnen sind es gewohnt, ihr eigenes Leben mit ihren Werken wie eine ewige, nie enden wollende REIFEZEIT zu erforschen und zu erweitern. Die Bandbreite an Werken aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Video, Performance und Fotografie vermittelt überraschende und zum Teil widersprüchliche Einblicke in Seelenzustände und Formen von Daseinsbewältigung junger Menschen. Sie handeln von Krisen, Narzissmus, Auseinandersetzung mit Körperlichkeit, Unsicherheit, Rebellion und Fatalismus in einer immer unsicherer werdenden Gegenwart.

Michael Kröger

Teilnehmende Künstler*Innen

– Nevin Aladag
– Marco Castillo
– Monica Czosnowska
– Clemens Krauss
– Simone Lucas
– Carlos Martiel
– Britta Thie
– Tobias Zielony

Kurator*In

– Michael Kröger
– Elisabeth Lumme

Mit freundlicher Unterstüztung

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Teilnehmende Künstler/Innen

im Detail

Nevin Aladag, „Top View“, Foto: video still, 2012 Courtesy the artist and Wentrup, Berlin, © VG BILD KUNST BONN 2020

Nevin Aladag* 1972 Van / Türkei

arbeitet im Medium Installation und Performance und lebt in Berlin

In einer rasant geschnitten Folge von jeweils tanzenden Fußpaaren erzeugt „Top View“ ein fast körperlich spürbares Gefühl von Freiheit, Bewegungslust und schnellem Rhythmusgefühl. In den Tanzrhythmen, den jeweils die beiden Füße einer Person vorführen, wird die Unbeschwertheit und Leichtigkeit einer frühen Lebensphase spürbar: einer Zeit, in der allesmöglich erscheint.

Ihre Arbeiten handeln von Selbstbestimmung, Rollentausch, Fremdwahrnehmung und Multiperspektivität. (zit. n.: Sabine Maria Schmidt, Kunstforum 262)

Marco Castillo, „Generación“, 2019, Video, Farbe, Ton, 16:9 HD, 6:45 Minuten, © Courtesy of the artist and KOW, Berlin, Madrid; Videostill: Marco Castillo

Marco Castillo *1971

Lebt und arbeitet als in Havanna und Madrid

Das Video „Generación“ (2019) lenkt den Blick auf die Wunden, die staatliche Repressionsmechanismen seit den 70er Jahren der Generation der kubanischen Millennials zugefügt haben. Die Zusammenkunft junger Menschen der heutigen Intellektuellenszene in der 70er Jahre Architekturspiegelt das Spannungsfeld zwischen den modernistischen Utopien der frühen Revolutionsjahre und dem Verlust an ästhetischen Freiheiten durch Zensur.

„In gewisser Weise will ich den Betrachterin die Rolle des Betroffenen versetzen, um ihm den tiefgreifenden Schaden bewusst zu machen, den extremistische und stigmatisierende Meinungen im Menschen anrichten.“ – Marco Castillo, in „Liebesgrüße aus Havanna, Zeitgenössische Kubanische Kunst im internationalen Kontext.

Monika Czosnowska, „Kristian“, 2006, „Helena“ 2006, C_ Print 40 x 60 cm, aus der Serie „Portraits“; © die Künstlerin

Monica Czosnowska *1977 Stettin/Polen

Die beiden Portraits stammen aus Monika Czosnowskas Serie „Portrait“ (seit 2005)

Beide, der Junge wie auch das Mädchen, betrachten mit einer fast erwachsen wirkenden Ernsthaftigkeit ihre Umgebung. Genau in dieser Zeit zwischen Kindheit und beginnender „Reifezeit“ erfahren sich junge Menschen erstmals als Wesen, die in der Lage sind, sich selbst als Personen zu erkennen, die ihre Leben und ihre Zukunft noch vor sich haben werden.
Clemens Krauss, „Selbstportrait als Kind“, 2017, Silikon, Ölfarbe, Eigenhaar,© der Künstler; Foto: B. Borchardt

Clemens Krauss ,*1979 in Wien

lebt in Berlin und arbeitet in den Medien Malerei, Installation und Video.*1979 in Wien, lebt in Berlin und arbeitet in den Medien Malerei, Installation und Video.

Zu den nachdrücklichsten Erinnerungen an die eigene Adoleszenz gehört die Entdeckung der jeweils eigenen, sich entwickelnden Körperlichkeit, die nicht selten existentielle Unsicherheit, Ängste und Schamgefühle auslöst.

Das „Selbstportrait als Kind“ (2017) entstand mithilfe von „20 Fotos von mir im Alter zwischen 11 und 13 Jahren“ (C.K.) und versucht, Erinnerungen an die Gefühlswelt der eigenen Kindheit in ein hyperrealistisches Körper-Gebilde zu bannen.

Simone Lucas * 1973 in Neuss, lebt und arbeitet als Malerin in Düsseldorf

Simone Lucas * 1973 in Neuss

lebt und arbeitet als Malerin in Düsseldorf

Simone Lucas inszeniert hier eine junge Phantasiefigur in der unsicheren Zone zwischen Sein und Schein. Der eigenartige, als Engel und als Teufel lesbare „Rosenteufel“ berührt mit dem linken Fuß einen gemalten kurzen Hinweis „Mich gibt es nicht“ und erinnert so an beginnende Existenzzweifel, die in der Pubertät nicht untypisch sind.

„Tiefe“ kontrastiert eine verloren wirkende Figur auf einem Sprungbrett mit stark flächigen Farbfeldern – ist die Angst vor dem Sprung vielleicht auch ein Bild für die Lust, sich in die unbekannte gemalte Welt von Kunst zu geben?

Fotonachweis: Carlos Martiel, „Prodigal Son“, 2010, Video, Farbe, Ton, 16:9 HD, 2:27 Minuten, © der Künstler

Carlos Martiel*1989 Havanna / Cuba

lebt und arbeitet im Medium Installation und Performance in New York

Das Video „Prodigal Son“ („Der verlorene Sohn“) weckt Assoziationen an extrem körperbezogene Initiationsriten und wirft gleichzeitig Fragen zu autobiografischen sowie politischen Bezügen auf. Kniend heftet der Künstler Orden, die der kubanische Staat seinem Vater als Polizeioffizier verliehen hat, direkt in die Haut seines Oberkörpers.

Ob dieser schmerzhafte Akt eine Auflehnung des Künstlers gegen die vom Staat eingeforderte revolutionäre Opferbereitschaft ist oder der Versuch einer Annäherung an die übergroße Vaterfigur, bleibt offen.

Britta Thie, „Powerbank QTs“, 2016-2018, 120 x 290 x 125 cm Mixed Media, © VG BILD KUNST BONN 2020

Britta Thie * 1987 Minden

lebt und arbeitet als Künstlerin, Model und Schauspielerin in Berlin

Das Video „Powerbanks“ (2018), entwirft in einem Konsumtempel für elektronische Geräte ein Szenario, ein „autofiktionales Big Brother“ (Britta Thie), in dem die jugendlichen Protagonisten sich gleichzeitig ihrer hemmungslosen Konsumlust und generationstypischen Coolness hingeben.

Entsprechend cool ist auch das raumgreifende Möbelstück, das die Künstlerin als Oase mit digitalen Ressourcen gerade für ein jugendliches Publikum entworfen hat.

Fotonachweis: Tobias Zielony, 1. TZ/PH 2018_9, Gabriel, 2018, Archival pigment print, 69 x 46 cm, 6 + 2AP, Courtesy Galerie KOW Berlin

Tobias Zielony * 1973

lebt als Künstler, Filmemacher und Fotograf in Berlin

Ein Schwerpunkt seiner Arbeit als Fotograf besteht in der Anteil nehmenden, „dokumentarisch“ wirkenden Präsenz jugendlicher Subkultur. Seine fotografischen Arbeiten zeigen Jugendliche in all ihrer Coolness, Härte und Verletzlichkeit, Lebenslust und existenziellen Grenzbewegungen. Seine Bilder verraten Einfühlungsvermögen und Zugewandtheit.

In seiner neuen „Golden Series“ (2018) setzt Zielony seine Arbeit über die Untergrundkultur in den postsowjetischen Gesellschaften in der lettischen Hauptstadt Riga fort. Die Protagonisten in Zielonys Bildern nutzen Mode, Piercing, Tätowierungen und Graffiti, um intime und gemeinsame Identitäten neu zu schreiben.

Sponsor

Sievert Stiftung für Wissenschaft und Kultur

Aufgaben der Stiftung sind die Förderung der Forschung und der Lehre, der Bildung, der Kunst und Kultur sowie der Völkerverständigung. Die Stiftung verwirklicht ihre Vorhaben insbesondere in Verbindung mit der Universität Osnabrück und der Hochschule Osnabrück. Künstlerische und kulturelle Veranstaltungen werden vornehmlich in der Region Osnabrück unterstützt und sollten einen internationalen Bezug aufweisen.

Tags: Reifezeit