Zukunftsforschung hat mit dem Medium Kunst eines gemeinsam:
In beiden Fällen versuchen ihre AutorInnen aus Fragmenten einer jetzigen Gegenwart ein Bild ihrer gegenwärtigen Zukunft zu gewinnen. Unsere aktuelle Gegenwart verschiebt sich offenbar gerade dramatisch in Richtung einer Zukunft, die ebenso ungewiss ist wie unsere Gewissheit, dass sie hier und jetzt von unserem Handeln beeinflusst wird.
Bildunterschrift
Immer mehr wird sich auch das Medium Kunst in einer demnächst eintreffenden Zukunft damit auseinandersetzen müssen, was zukünftig alles als Kunst betrachtet wird – oder womöglich auch etwas ganz Neuartiges zur Erscheinung bringen wird. Gerade heute wird ja das Erkunden und Voraus-Denken von alternativen Möglichkeitsräumen, wie es etwa in der Science-Fiction-Literatur oder besonders in der Klimawandel-Forschung schon länger praktiziert wird, immer aktueller. „Wenn das Unmögliche möglich wird, erscheint es vielen zunächst als ein Wunder“ (Alard von Kittlitz) – und erst danach erkennen wir, dass es heute möglich geworden ist, etwas aus der Zeit gefallenes Unmögliches darstellbar zu machen – ohne dass wir es es als Wunder ansehen müssen – aber demnächst durchaus können.
Was wäre, wenn es so ein spezielles, exklusives und manchmal schwer verständliches Phänomen wie Kunst nicht mehr in dieser uns bekannten Form, sondern ganz anders geben könnte? Oder anders gefragt: könnte man nicht Kunstwerke in ein Setting für eine Zukunft verwandeln, die unsere heutige Gegenwart unter unerwarteten, schrägen und ungewohnten Perspektiven befragen könnte? So merkwürdig und fern, wie diese Fragen klingen, sind sie aber gar nicht. In gewisser Weise ist Zukunft bereits gegenwärtig geworden.
Zukunft entsteht, indem ihre scheinbare Unmöglichkeit bereits jetzt in reale Gedanken verwandelt wird – gerade auch dann, wenn wir (noch) nicht genau wissen ob es sich um eine fiktive Gegenwart oder eine um eine reale Zukunft handelt. Oder vielleicht um deren Gleichzeitigkeit? Erst durch Ausprobieren, durch das Ersetzen von Gegenwart durch Unmögliches wird denkbar, selbst etwas für unmöglich Gehaltenes in einen Raum jenseits einer Gegenwart zu verwandeln. Auf diese Weise verstehen wir auch unsere Vergangenheit auf eine neue Art: An frühere Zeiten erinnern wir uns wie an vergangene Gegenwarten, deren Zukunft uns komplett unbekannt erschien. Heute erscheint uns vieles zunehmend nicht mehr unmöglich zu sein.
Wir können immer bewusster zeitlich abschätzen, wie wir jetzt die Richtungen des Unmöglichen einer Zukunft gewordenen Gegenwart gestalten können. Dass wir dazu in der Lage sind verdanken wir nicht nur digitaler Technik in Form von Modellsimulationen, sondern einfach unserer Fähigkeit verschiedene unwahrscheinliche Möglichkeiten als „Zukünfte“ in unserer Gegenwart aufeinander zu beziehen. Wir machen also eine Zukunft, die jetzt Gegenwart geworden ist, durch eine, genau diese, Darstellung erst möglich – und damit das bisher für unmöglich Gehaltene deutlich wahrscheinlicher.
Michael Kröger
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