Noch ein Kommentar zu #allesdichtmachen von Michael Kröger
Wer heute öffentlich seine Meinung zur Lage der aktuellen Gegenwart kommuniziert, tut dieses nicht in einem voraussetzungslosen Zusammenhang – ganz im Gegenteil: Gerade Social-Media-NutzerInnen wissen das sehr genau und kommunizieren alles und das häufig mit Mitteln, die nicht überzeugen, sondern sich vor allem von den vielen anderen abheben wollen. Wer heute als politischer oder ästhetische/r AkteurIn auffallen will, der kann und muss schon mal gezielt und sehr bewusst daneben greifen können. Aber man sollte dann auch ungefähr abschätzen und reflektieren können, was man mit den eigenen geposteten Störungen bewirken wird.
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Doch eben genau so funktioniert die digital getriggerte Welt der Kommunikation von heute: man will unbedingt auffallen, ein Zeichen setzen, sich im Namen von angeblichen Zumutungen und mentaler Freiheitsberaubung empören und so tun als wäre man im Besitz der exklusiven Unwahrheit, mit der die scheinbar unaufgeklärte Mehrheit beeinflusst würde. Empörung ist nun bei vielen und vielen rechten ein allzu billiges Mittel der Kommunikation geworden: Sie wird gerne durch eine sozial grenzwertige, „inkorrekte“ Form des Kommunizierens praktiziert, die ihre Adressaten im Unklaren darüber lässt, wie eine Botschaft gemeint sein könnte: gerade EmpörerInnen spielen mit uneindeutigen, ironischen Aspekten ihrer Äußerungen und bewegen sich so bewusst in der Nähe von ästhetischen mehrdeutigen, überraschenden und irritierenden Ausdrucksweisen.
Gerade rechts-konservative, querdenkende EmpörerInnen sind häufig keine Virtuosen ihrer die Gesellschaft spaltenden Kommunikation: Sie glauben eindeutig an das, was sie empörend und lauthals hervorbringen und sind selten in der Lage sich selbst aus einer Distanz und mit den Augen Anderer zu sehen. Wer die Standards vernünftiger Kommunikation gezielt stört, der muss zusehen, dass er die Bruchstücke irgendwie wieder neu erklärt. Auch wer sich scheinbar nur empört, kann dieses in einer Weise tun, die Anderen zeigt, dass es nur eine von vielen anderen Möglichkeit ist, so zu agieren. Sich zu empören kann auch heißen: gleichzeitig eine Distanz zu seiner eigenen, einseitigen Sicht auf die Verhältnisse aufzubauen.
Nimm das, UserIn: „Wahrheiten“ wie sie heute gerne in den sozialen Medien kommuniziert werden, werden immer auch ironisch gebrochen, übertrieben inszeniert oder bewusst in der Grauzone zwischen Fiktionen und Fakten gehalten: sie werden dadurch als Inszenierungen ästhetisch kenntlich gemacht. Sie sind so wie alle ästhetischen Wahrheiten – ästhetisch konstruiert, nicht selten verkürzt, überspitzt oder sonst wie getriggert und besitzen keinen Anspruch auf die Ewigkeit von mythischen Wahrheiten, die es so nie gab oder geben wird. Empörend ist ja heute, je nach eigenem politisch-ästhetischen Blickwinkel, vieles; doch das Medium Empörung ist am Ende Ausdruck einer Gesellschaft, die heute von sozialer Unsicherheit, Zukunfts-Bedrohung, mangelnder Empathie und unterschiedlichen Formen von Nichtanerkennungen geprägt ist.
Michael Kröger
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